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Afrika

Neuer ERC Grant für Franzisca Zanker: “The Political Lives of Migrants: Perspectives from Africa”

Nahaufnahme einer Hand. Sie hält einen Stift, im Hintergrund liegt ein offenes Notizbuch auf einem Tisch.

Im Rahmen des neuen Forschungsprojekts werden auch innovative Forschungsmethoden wie migrantische Tagebücher ausgewertet. 

| © ABI

ERC Grant: “The Political Lives of Migrants: Perspectives from Africa”

 

Der Europäische Forschungsrat (ERC) fördert ein neues Projekt zu Migration in Afrika unter der Leitung von Dr. Franzisca Zanker. Das Freiburger Arnold-Bergstraesser-Institut erhält dafür in den kommenden fünf Jahren 1,5 Millionen Euro. 

Das Projekt ist unter den 14,2% der Anträge, die 2024 den ERC-Starting Grant erhalten. Neben der Vertiefung einer prägnanten Forschungsfrage und dem wichtigen Einbezug von Perspektiven aus dem Globalen Süden, fand das Auswahlgremium den innovativen Methodenansatz inklusive Theaterworkshops und Auswertung von Tagebüchern von Migrant*innen besonders überzeugend. 

Die Aufnahme von Geflüchteten und anderen Migrant*innen, ihre langfristigen Perspektiven und ihr Leben in ihrer neuen Heimat gehören zu den drängendsten gesellschaftspolitischen Fragen unserer Zeit. Welche Antworten geben Migrantinnen und Migranten auf diese Fragen? Wie sehen sie ihr Leben, ihre Rolle und ihre politischen Gestaltungsmöglichkeiten? Dazu wird die am Arnold-Bergstraesser-Institut angesiedelte und von Dr. Franzisca Zanker geleitete vierköpfige Forschungsgruppe arbeiten. 

 

Zum Kontext der Forschung 

Das Projekt sucht einen neuen Blickwinkel jenseits der dominanten eurozentrischen Migrationsforschung, in dem es sich auf die politischen Handlungsmöglichkeiten von Geflüchteten und anderen Migrant*innen in Afrika fokussiert. Dafür werden verschiedene postkoloniale Räume und Bedingungen erforscht. Das Projekt wird das Verständnis von politischen Handlungsmöglichkeiten von Migrant*innen ergänzen, in Bezug auf ihre eigenen Erklärungsmodelle, sowie in Interaktion mit staatlichen und nichtstaatlichen Institution und Akteuren. Im Sinne der kritischen Wissensproduktion liegt der Fokus des ERC-geförderten Projekts auf einem kollaborativen Forschungsansatz, zum Beispiel unter Einbezug von afrikanischen Kolleg*innen und Übersetzung der Forschungsergebnisse in lokale Sprachen. 

Das Forschungsprojekt wird beleuchten, welchen Einfluss der Verlauf des Migrationsweges und der Status der Person in Herkunfts-, Transit- oder Zielstaat auf politischen Handlungsmöglichkeiten hat. Die empirische Forschung wird in Ghana, Kenia, Liberia und Malawi durchgeführt.

 

Dr. Franzisca Zanker über ihren Erfolg:

„Ich freue mich sehr über die Möglichkeit, mit diesem Projekt neue Perspektiven in einem gesellschaftlich so wichtigen Thema einzubringen. Was können Migrant*innen uns über ihre eigene Rolle, Bedürfnisse und Wünsche in der Gesellschaft sagen? Was können wir lernen, wenn wir dabei eine afrozentrische Perspektive annehmen? Diese prestigeträchtige und umfangreiche Förderung wird es meinem Team und mir ermöglichen, methodologische Grenzen, des Verständnisses von migrantischen Gestaltungsmöglichkeiten und letztlich Wissensproduktion zu erweitern.“

 

Zur Person: Dr. Franzisca Zanker

Dr. Franzisca Zanker ist Konflikt- und (Flucht-)Migrationsforscherin. Nach ihrer Promotion an der Universität Tübingen und einer Anstellung am GIGA Forschungsinstitut in Hamburg, leitet sie seit 2017 das Cluster Flucht und Migration am Arnold-Bergstraesser-Institut in Freiburg. Sie leitete mehrere Forschungsprojekte zu politischen Interessen afrikanischer Staaten zu Migration und Fluchtschutz, gefördert von der Deutschen Stiftung für Friedensforschung und der Mercator-Stiftung. Sie ist Ko-Koordinatorin der Forschungsgruppe „African Mobility, Migration and Displacement“. Dr. Zanker publiziert in international renommierten Journals und ist Mitglied des Redaktionsausschusses des Journal of Refugee Studies. Sie führte Feldforschung in Kenia, Liberia, Gambia, Uganda und Südafrika durch. 

Über den Europäische Forschungsrat (ERC)

Der ERC wurde 2007 von der Europäischen Union gegründet und ist die wichtigste europäische Förderorganisation für exzellente Pionierforschung. Er finanziert kreative Forscher*innen aller Nationalitäten und jeden Alters, die Projekte in ganz Europa durchführen. Mehr Informationen unter www.erc.europa.eu

 

Für Presseanfragen stehen Frau Dr. Zanker und Frau Taxis gerne zur Verfügung.

Dr. Franzisca Zanker 
franzisca.zanker [at] abi.uni-freiburg.de
Tel: +49 (0)761 888 78 31

Clara Taxis
Ansprechpartnerin Wissenschaftskommunikation 
presse.abi [at] abi.uni-freiburg.de
Tel: +49 (0)761 888 78 14

Pressemitteilung ERC Grant 2024 Franzisca Zanker (222.26 KB)

 

Zum Weltflüchtlingstag: Franzisca Zanker über Auslagerung von Asylverfahren in afrikanische Drittländer

Externalizing Migration - Logo

Der 20. Juni ist Weltflüchtlingstag. Der UNHCR schreibt dazu: 

„Es ist der Tag, der daran erinnert, dass Millionen von Menschen gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen veröffentlicht dazu den jährlichen Bericht „Global Trends“, der die weltweit dramatische Situation in nüchterne Zahlen fasst. Gleichzeitig würdigt der UNHCR die Stärke, den Mut und die Widerstandsfähigkeit, die Flüchtlinge, Binnenvertriebene und Staatenlose täglich aufbringen. Aktuell sind 120 Millionen Menschen auf der Flucht - dies ist die größte Zahl an Vertriebenen, die je registriert wurde.“

Franzisca Zanker veröffentlichte pünktlich zu diesem Anlass ihre Analyse "Outsourcing Asylum to African States? An endeavour destined to fail" auf der ebenfalls erst kürzlich online gegangenen Plattform www.externalizingmigration.info. Die Plattform bietet Beiträge von Wissenschaftler*innen zum Thema, in Text- und Videoform und als Podcast. 

Franzisca Zankers Beitrag geht auf die europäische Strategie der Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten ein und zeigt anhand bisheriger Kooperationsversuche auf, dass die politischen Interessen der afrikanischen Partnerländer nicht genug berücksichtigt werden: 
 

„Ruanda ist nicht das erste Land, an das sich die europäischen Staaten wenden, wenn es um die Aufnahme von Asylbewerbern aus Drittstaaten geht. Die derzeitige Debatte ist vielmehr der jüngste Versuch in einer andauernden Externalisierung, die afrikanische Länder mit verschiedenen Zuckerbrot und Peitsche-Methoden davon zu überzeugen versucht, ihre eigenen "abgelehnten" Staatsangehörigen und idealerweise sogar Drittstaatsangehörige zurückzunehmen. Die Schwerfälligkeit einer solchen Zusammenarbeit verdeutlicht, wie unwahrscheinlich es ist, dass die Auslagerung des Asylwesens für potenzielle afrikanische Partnerländer jemals eine praktikable Option sein wird."

Den ganzen Beitrag lesen Sie hier (Englisch). 

Virtueller AMMODI-Roundtable jetzt online: Making African(ist) Migration Research Visible

AMMODI Virtual Roundtable: Making African(ist) Research Visible

v.l.n.r.: Kudakwashe Vanyoro, Ruth Nyabuto, Elena Fiddian-Qasmiyeh, Sergio Carciotto, Jessica Adjeley Mensah, Kwesi Sewe, Åsa Lund Moberg, Ibrahima Amadou Dia, Heaven Crawly.

Die globale Wissenschaft befindet sich inmitten erneuter Debatten und Interventionen gegen die anhaltenden Ungleichheiten in der afrikanischen und afrikanistischen Hochschulbildung, nachdem Forderungen nach einer Entkolonialisierung der Wissenschaft laut wurden. Migrationsmuster und -politik sowie die diesbezügliche Forschung sind häufig stark von post-/kolonialen Beziehungen geprägt, und die Migrationsforschung bemüht sich nur langsam um die Aufdeckung und Aufarbeitung ihrer post-/kolonialen Aspekte.

Daher lud die kollaborative Forschungsgruppe AMMODI im Dezember 2023 zu einem virtuellen Roundtable ein, der nun als Video online verfügbar ist! 

Dieser Roundtable zielte darauf ab, die strukturellen Ungleichheiten, die in die afrikanistische Migrationsforschung eingebettet sind, durch eine Reihe von Dialogen zwischen Forschenden, Herausgeber*innen von Journals und Bibliothekar*innen anzusprechen. Außerdem gab es eine kurze Einführung in die AMMODI-Datenbank, in der über 200 in Afrika ansässige Wissenschaftler*innen, die sich mit Migration, Mobilität und Vertreibung beschäftigen, und ihre Arbeit erfasst sind. Die Datenbank soll einen Schritt zur Verbesserung der Sichtbarkeit der afrikanischen Migrationsforschung darstellen.

 

Bewegungsfreiheit in Westafrika: ECOWAS-Austritte könnten drei Länder vor Migrationshürden stellen

Symbolbild Zeitungsartikel

Für Niger, Mali und Burkina Faso hat die jüngste Entscheidung, aus der Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten (ECOWAS) auszutreten, die Frage aufgeworfen, wie sie die regionale Mobilität in Zukunft gestalten werden. Die ECOWAS deckt eine Vielzahl von Sektoren ab, Migration ist jedoch einer der wichtigsten. Lange Zeit galten die Protokolle der ECOWAS (1979) als leuchtendes Beispiel für die Freizügigkeit, also der freien Mobilität von Personen, auf dem Kontinent. Sie gaben den Bürgern das Recht, sich ohne Visum zwischen den Ländern der Region zu bewegen, sowie ein künftiges Aufenthaltsrecht und die Möglichkeit, Unternehmen zu gründen. 

Franzisca Zanker des ABI hat bereits, in multidisziplinärer Arbeit zusammen mit Amanda Bisong und Leonie Jegen, die Steuerung der Migration in Westafrika auf regionaler Ebene und in besonderen Kontexten wie Niger untersucht. Sie argumentieren nun, dass Niger, Mali und Burkina Faso viel zu verlieren haben, wenn ihr Austritt aus der ECOWAS die Mobilität einschränkt. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass informelle Mobilität dennoch fortbestehen wird.

 

Den vollständigen Artikel (auf englisch) finden Sie auf der Webseite von The Conversation

ALMA Reviews Blog: Stages of Colonialism in Africa

Stages of Colonialism in Africa: From Occupation of Land to Occupation of Being

By: Hussein A. Bulhan

Published in December 2015 in the Journal of Social and Political Psychology.

Available at: https://doi.org/10.5964/jspp.v3i1.143 (link is external)

In this article, Hussein A. Bulhan discusses a different side of the colonial enterprise, viewing colonialism as the occupation not only of land but also of each colonised person, a condition that becomes a mechanism through which one perceives one’s existence in the world. The article is drawn from the author’s own scholarship (personal experience and reflection) and the limited academic resources available in the “peripheries” of the world where he lives and works – in Somali, Darfur and Sudan. Bulhan is nonetheless able to transcend such limitations and navigate the effects of colonialism beyond what is easily quantifiable. The author’s major themes are clearly laid out in the first five pages of his article, where he discusses the stages of colonialism and the ongoing intersection between colonialism and psychology in the form of metacolonialism, or coloniality. For a new reader of such a sensitive exploration, the article and the author’s methodological approach might appear flimsy or unorthodox, given Bulhan’s curiosity and frankness. However, with a nod to the works of the scholars who pioneered such work – particularly Frantz Fanon, the French psychiatrist who wrote extensively on the role of psychiatry and psychology in colonialism – it would be wiser to pay attention and read between the lines, feeling the author’s frustration at the misuse of these disciplines, which were meant to benefit individuals, not oppress them.  As Fanon focused on psychiatry, the author here focuses on psychology whilst drawing a linkage between psychiatry and psychology. 

In examining the history of psychology, Bulhan explores the relationship between psychology and colonialism and reveals how psychology contributed to justifying and bolstering oppression and colonialism in Africa. For him, the demise of classical colonialism, which began in 1957 with Ghana gaining independence and other African countries following suit in the 1960s and 1970s, was a critical turning point, when the ambition for freedom reached its peak. In those times, the African public found new inspiration in their own words and in those of their children, who were calling for the expulsion of the colonisers. However, whilst the colonisers did in fact leave the continent, they left behind countries unfit to govern themselves and with economies fully dependent on the countries of Europe. Bulhan regards the current situation as a neocolonial machine that continues to oppress its citizens for the benefit of former colonial empires and their allies. The material resources in Africa are being plundered for the benefit of the former colonisers. This has had tremendous consequences on the continent in terms of economic and infrastructural development. Beyond the outside economic domination over Africa, which is reminiscent of Hannah Arendt’s scholarship on the scramble for Africa, the author’s analysis further highlights the role of culture and psychology in perpetuating colonialism. To do this, he proposes a new way of conceptualising colonialism – metacolonialism – which he describes as: 

"a socio-political, economic, cultural, and psychological system that comes after, along with, or among the earlier stages of colonialism …. One can also define it as a colonial system that goes beyond in scope or behind in depth what classical colonialism and neocolonialism had achieved." (p. 244)

Such a line of thought is striking, given that the effects of colonialism in major public discourse are often weighed and validated in economic terms without regard for the psychological implication of colonialism on the colonised. With metacolonialism, the author delves deeper into the psychological implications and power dynamics of colonialism, which allow the colonisers to name and interpret the world and the self while suppressing the experiences and stories of the colonised. In Belhan’s words:

"The story of the colonized remains untold due to censorship and social amnesia enforced in crude or subtle ways. If writers of this story are not directly harassed, the media industry seldom publishes their alternative story; professional journals winnow it out; publishers reject manuscripts; and tenure review committees consider it a sign of radicalism or proof of idiosyncratic obsession to excavate a long-forgotten past too uncomfortable to recall. […] If one endeavors to tell the story of the colonized, the teller is from the start stuck neck deep or totally submerged in the maelstrom or disaster the colonizer had created. Not only does one wade in the dissimulated history and scholarship of the colonizer’s metacolonial systems of education, but also the world in which one lives—including institutions for which one works—contradict one’s story about the colonized." (p.245)

What Bulhan shows in this section of his paper is not only his frustration with academia but also the frustration of many who have tried to tell a different story, their story, as it affected them. For example, the issue of censorship raised by the author is not only peculiar to the colonial enterprise in Africa but also applies to any stories or truths that do not match the conventional narrative or that offend the listener’s vanity. Yet, when we censor the narrative of the speaker we also censor our own ability to exchange meaningful ideas about how we perceive the world around us (pp. 245–246). We limit our ability to think differently in a world that contains infinite complexities. Finally, Bulhan describes how psychology and its medical counterpart, psychiatry, contributed to colonialism, thus making it imperative to decolonise the psychological sciences. As the author recounts, during the colonial period, psychologists and psychiatrists embarked on racial comparisons to determine the size of the typical African brain. They concluded from a biased sample that Africans belonged to a lower evolutionary phase of human beings (p. 249). Africans were viewed as “lobotomised Europeans” or at least as neurotic Europeans (ibid.). 

Equally relevant is the fact that, after the classical colonial period, the psychological and psychiatric literature shifted from identifying Africans as subhuman to asserting alarming rates of mass depression and other psychiatric disorders, thereby trumpeting the predominant narrative that slaves were innately incapable of living independently or sanely without a white master (ibid.). Today, such notions are rarely found in psychiatric and psychological literature, as they have become more subtle and refined in theories and their application, the author argues. Richard C. Keller, who studied the history of medicine and the relationship of psychiatry with colonialism in Tunisia, Morocco and Algeria, reached a similar conclusion. Like Bulhan, Keller, in his book Colonial Madness: Psychiatry in French North Africa, explored the position of the mentally ill in nineteenth-century North Africa, the problem of institutionalised mental illness and the overuse of psychopathological language to describe the experience of an entire population. Both scholars are influenced by Frantz Fanon. 

While Bulhan raises critical points about the historical relationship between colonialism and psychology, there could be a deeper exploration of any potential positive contributions or efforts within the field to address the legacies of colonialism. Examples like Carl Jung, Viktor Frankl, Carl Rogers and Elisabeth Kübler-Ross would have helped show that not every psychologist or psychiatrist rejoices over the heinous legacy of the profession, be it colonialism or the imposition of the therapist’s view on the individual. This would provide a more nuanced understanding of the complex relationship between colonialism and psychology. Also, the issue of individual responsibility as opposed to institutional responsibility could have been pursued, as well as the limitations of decolonising psychological science; what does it mean, who is in the position to do it and what would be the practical implications? Addressing these points and offering strategies to overcome them would strengthen the argument and provide a more comprehensive analysis. 

 

Reviewed by: Ernest Chetachukwu Anudu


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