Am 15. Januar 2025 spricht Richard Legay im Rahmen des Forschungskolloquiums des Frankreich-Zentrums an der Universität Freiburg. Sein Vortrag thematisiert die koloniale Vergangenheit und die Erinnerungspolitik in Frankreich und Deutschland:
Die offizielle Praxis der Erinnerung an die Kolonialvergangenheit in Afrika hat sich in den letzten Jahren in einigen europäischen Ländern geändert. Dieser Wandel folgt auf eine lange Phase des Widerstands auf Seiten der verschiedenen betroffenen Staaten. Die Erinnerungspraxis nimmt viele verschiedene Formen ein und wird durch eine Vielzahl von Akteuren implementiert. Sie kann - wie in den Niederlanden - in Form von offiziellen Entschuldigungen durch Ministerpräsidenten oder Könige erfolgen oder - wie in Berlin - durch die Umbenennung von Straßen, die zuvor Anhänger des Kolonialismus feierten, zugunsten von Persönlichkeiten, die Opfer des Kolonialismus waren oder sich ihm widersetzten. In Frankreich kam es zu viel Diskussion um Präsident Macrons ehrgeizigen, aber unerfüllten Versprechen in Ouagadougou im Jahr 2017, in der Kolonialzeit gestohlene Artefakte aus Afrika in den nächsten fünf Jahren zurückzugeben. Die Restitution von afrikanischem Kulturerbe ist zweifellos eine der wichtigsten aktuellen Herausforderungen im Umgang mit unserer kolonialen Vergangenheit.
Frankreich und Deutschland heben sich dabei durch den Umfang ihrer Zusammenarbeit von ihren europäischen Nachbarn ab. Einerseits wurde ein deutsch-französischer Fonds für die Provenienzforschung eingerichtet, der hoffentlich aktiv zu der Restitionspolitik beider Länder beitragen wird. Anderseits hat sich das Länderpaar durch seine Bemühungen auf europäischer Ebene hervorgetan, insbesondere bei den Gedenkfeiern zum hundertsten Jahrestag des Ersten Weltkriegs zwischen 2014 und 2018. Es gibt also eine lange Tradition der Zusammenarbeit in Bezug auf Erinnerung, die bis heute anhält. Es ist jedoch wichtig festzustellen, dass Deutschland und Frankreich – abgesehen von der gemeinsamen Front, die sich manchmal zeigt (z.B. bei der Suche nach Quellen oder Herkunftsorten) – sehr unterschiedliche politische Ansätze und Arbeitsweisen zum Thema Erinnerung haben (z.B. deutscher Föderalismus versus französischer Zentralismus), insbesondere wenn es um die koloniale Vergangenheit geht. Obwohl also beide Länder ein neues Paradigma der Erinnerung annehmen, das durch die Problematik der Restitution afrikanischem Kulturerbes verkörpert wird, gibt es zahlreiche Spannung, die in Tiefe untersucht werden müssen.
Bitte Beachten: Die Veranstaltung findet auf Französisch statt.
Eine vorherige Anmeldung bei der Seminarleitung, Frau Dr. Anna Sennefelder, ist erwünscht: anna.sennefelder(at)mkw.uni-freiburg.de