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Keine Berichterstattung – Kein Problem? Die vergessene Krise in Burundi und die Medien

Nachbericht Workshop und Podiumsdiskussion „Die vergessene Krise in Burundi und die Medien – Keine Berichterstattung, kein Problem?“ vom 21. Juni 2018

Bei dieser Veranstaltung ging es um die Fragen, weshalb die politisch und humanitär angespannte Lage in Burundi hierzulande so wenig Aufmerksamkeit erfährt und welche Folgen das für den Verlauf des Konflikts und vor allem für die rund elf Millionen BurundierInnen hat. Das Arnold-Bergstraesser-Institut initiierte die zweiteilige Veranstaltung gemeinsam mit der Heinrich Böll Stiftung Baden-Württemberg, der Initiative #nichtvergesser und der Freiburger Hochschulgruppe für Außen- und Sicherheitspolitik.

Care international zufolge ist die derzeitige Situation in Burundi auf Platz drei der zehn Krisen weltweit mit geringster Berichterstattung. Dabei gäbe es über Burundi Einiges – und viel Erschreckendes - zu berichten: Im Zuge der Proteste gegen eine weitere Amtszeit von Präsident Pierre Nkurunziza und eines gescheiterten Putschversuchs 2015 mussten knapp 400 000 BurundierInnen in umliegende Länder flüchten, rund 200 000 wurden innerhalb Burundis vertrieben, bei Protesten starben hunderte, immer noch verschwinden Regimekritiker.

Doch weshalb berichten hiesige Medien kaum darüber? Philipp Lemmerich, Experte für Afrikabilder in deutschen Medien, bedauert: „Weil die Leute sich nicht die Bohne für Afrika interessieren.“ Afrika würde hierzulande hauptsächlich auf drei Stereotype reduziert. Da ist zum einen das Narrativ um Kriege, Krisen und Kannibalismus, das Afrika ausschließlich mit dunklen, bedrohlichen Bildern assoziiert, ein Dauerbrenner, der schon 1899 von Joseph Conrad in seiner Novelle „Herz der Finsternis“ aufgegriffen wurde – und der seither in westlichen Köpfen verankert zu sein scheint.  Gegensätzlich das Klischee von Afrika als Inbegriff von Mystik und Exotik, das Bilder von am Lagerfeuer trommelnden Stammesangehörigen oder malerischen Landschaften erweckt, auf denen wahlweise Elefanten oder Giraffen ihre Köpfe vor rot brennenden Sonnenuntergangsszenerien recken. Als drittes wird Afrika seit geraumer Zeit als „Africa rising“, als Kontinent auf dem Sprung in die Zukunft stilisiert, mit boomendem Wirtschaftswachstum, rasant steigender Bevölkerungsanzahl und dubiosen ausländischen Investitionen. Ereignisse und Entwicklungen, die über diese vertrauten Sparten hinausgehen, oder nicht herausstechend genug scheinen, finden oft niemanden, der darüber berichtet.
Anders als bei vielen anderen außenpolitischen Themen müssen JournalistInnen in der Afrikaberichterstattung oft weit ausholen, um die komplexen Zusammenhänge zu erklären, die ein aktuelles Ereignis in den Kontext rücken. Das braucht regionale Expertise und Einarbeitungszeit, die gerade freie Reporter selten bieten können. Afrikaberichterstattung ist auch aus praktischer und finanzieller Hinsicht wenig attraktiv. Es sei oft schlicht nicht rentabel, ReporterInnen unter hohen Reise-und Visakosten nach Afrika zu schicken, und deutsche KorrespondentInnen sind oft für dutzende afrikanische Länder zugleich zuständig. Davon abhängig, wie relevant eine Krise für die Menschen, Politik oder Wirtschaft hierzulande ist, erscheint ein Konflikt wie der aktuelle in Burundi oft weniger erwähnenswert.

Diese fehlende mediale Aufmerksamkeit hat direkte Folgen für die Bevölkerung vor Ort, denn zwischen Umfang der Berichterstattung über eine Krise und internationaler Spendenbereitschaft dafür besteht ein direkter Zusammenhang, so Christoph Klitsch-Ott, stellvertretender Leiter von Caritas international. „Für Burundi direkt erhalten wir keinerlei Spenden, unsere Projekte vor Ort finanzieren wir komplett durch generelle Spendenmittel“. Keine Schlagzeilen, keine Aufmerksamkeit, und deshalb auch keine Hilfe. Und Burundi ist nur ein Beispiel von vielen aktuellen humanitären Krisen, unter denen viele leiden, aber von denen zu wenige wissen. Es stimme, so Phillip Lemmerich, dass unser Leben hier nicht zwingend von Katastrophen in anderen Erdteilen beeinflusst würde, und dass deshalb viele eine Krise wie die in Burundi als zu weit weg, zu nichtig ansehen. Es brauche große Initiativen, um Strukturen der Krisenberichterstattung zu ändern und JournalistInnen zu ermutigen, darüber zu berichten. Letztlich müssten wir uns als Gesellschaft fragen, was wir in einer globalisierten Welt mit Informationen anfangen, wem wir unser Interesse widmen und ob wir außerhalb von Stereotypen über Afrika lesen möchten.

Text: Lena Tiedemann

Foto: © Iwacu