Mit dem Begriff »Dekolonisierung« wird die Gesamtheit der Ablösungsprozesse von kolonialer Herrschaft angesprochen. In diese Prozesse sind die früheren (und gegenwärtigen) Kolonialmächte ebenso involviert wie die Länder und Gebiete, die kolonialer Herrschaft unterworfen waren und sind. Dass es sich hierbei um eine unabgeschlossene Aufgabe handelt, ist eine der Annahmen, von denen unsere Tagung ausgeht. Der Skandal des Kolonialismus ist in vielerlei Hinsicht noch nicht gänzlich begriffen und schon gar nicht aufgearbeitet. Dabei wären die vollständige Anerkennung kolonialer Verbrechen und die gründliche Analyse der Geisteshaltungen, die diesen zu Grunde liegen, wichtige Voraussetzungen für die so oft beschworenen »neuen Partnerschaften« zwischen den Ländern, die als Unterdrücker oder als Unterdrückte Teil kolonialer Systeme waren. Wie es möglich war, dass wir die Voraussetzungen und Verbrechen kolonialer Herrschaft über so lange Zeit weitgehend verdrängt haben, ist jedoch nur eine der Fragen, die uns im Rahmen der Tagung beschäftigen werden. Denn koloniale Strukturen sind persistent und wirken fort in globalen Asymmetrien, die vor allem die gegenwärtige Weltwirtschaftsordnung und den Zugriff auf die natürlichen Ressourcen prägen.
Auch Europa, dessen historischer Aufstieg sich als eine »Unterwerfung der Welt« (Wolfgang Reinhard) beschreiben lässt, lernt nur mühsam, dekoloniale und postimperiale Perspektiven einzunehmen und sich von den eingeübten eurozentrischen Perspektiven zu lösen. Das lässt sich am Beispiel der aktuellen Restitutionsdebatten zeigen, in denen europäische Museen gerade daran gehen, sich über den Anteil von Raub- und Beutekunst in ihren Beständen Rechenschaft abzulegen. Vor eine neue Herausforderung aber stellt uns der Ökozid, den unsere imperiale Lebensweise verursacht und der vor allem und zuerst die Lebensgrundlagen des globalen Südens zu vernichten droht. Postimperiale Perspektiven einer globalisierten Welt wahrnehmbar zu machen und zur Geltung zu bringen, gelingt als Zukunftsaufgabe nur, wenn wir die Stimmen aus dem globalen Süden und Osten einbeziehen.
Veranstaltet wird die Tagung von der Katholischen Akademie Freiburg und der Heinrich Böll Stiftung Baden-Württemberg in Zusammenarbeit mit dem Africa Centre for Transregional Research (ACT), dem Arnold-Bergstraesser-Institut und dem Institut für Soziologie der Universität Freiburg.
Andreas Mehler wird im Rahmen einer Lesung und Diskussion zu Bartholomäus Grills Buch „Wir Herrenmenschen“ am 21.10. 19:30 Uhr zur Veranstaltung beitragen. Mit dabei sind Prof. Dr. Albert Gouaffo und Dr. Mahret Ifeoma Kupka.
Mehr Informationen zu Programm und zur Anmeldung gibt es hier.
Foto: © Helga Dickow
Wo?Katholische Akademie Freiburg, Winterestraße 1/Hybrid
Wann?